Den Hitzestress nicht unterschätzen

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Hohe Temperaturen und hohe Luftfeuchtigkeit führen bei Wiederkäuern schnell zu Hitzestress. Auch Ziegen haben nur begrenzte Möglichkeiten, um die Körpertemperatur zu regulieren. Besonders bei der Haltung und bei der Fütterung können gezielt Massnahmen ergriffen werden, um den Hitzestress zu reduzieren und so die Leistung zu halten.

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Ziege; Weihnachtskarte

Beim Weidegang im Sommer sind Schattenplätze von wichtiger Bedeutung.

Hitzestress ist in der Nutztierhaltung eine immer grösser werdende Herausforderung. Davon betroffen sind auch Ziegen, unabhängig von Herdengrösse oder Leistung. Im Gegensatz zu Kühen haben Ziegen jedoch eine höhere Temperaturlimite, da sie ja ursprünglich aus wärmeren Regionen stammen. Klar ist, dass bei Hitzestress sowohl das Tierwohl als auch die Leistung der Ziegen abnimmt. Hitzestress ist allerdings nicht nur abhängig von der Temperatur, sondern auch von der Luftfeuchtigkeit. Diese hat einen direkten Einfluss auf die gefühlte Umgebungstemperatur und trägt so direkt zum Wärmeempfinden bei. Je höher die Feuchtigkeit ist, desto weniger kann die Luft Wasser aufnehmen. Dies hat zur Folge, dass der Kühlungseffekt durch Verdunstung auf dem Tier (Schwitzen) viel weniger effektiv ist. Abhilfe im Stall schafft lediglich eine gute Ventilation mit genügend Luftaustausch und Luftvolumen.

Hitzestressempfinden

Um die Stärke von Hitzestress zu bestimmen, wird der sogenannte Temperatur-Humiditäts-Index (THI) verwendet. Die Kombination aus Temperatur und Luftfeuchtigkeit ist entschieden, um einzuschätzen, wie stark der Hitzestress beim Tier ist. Ziegen können bereits ab einer Temperatur von 24 Grad und einer hohen Luftfeuchtigkeit von >85 % an Hitzestress leiden. Bei geringerer Luftfeuchtigkeit (< 45%) tritt Hitzestress ab einer Temperatur von rund 28 Grad auf (Tabelle, Seite 7). Da Ziegen ein geringeres Verhältnis zwischen Körpergewicht und Körperoberfläche sowie ein erhöhtes Schwitz-Vermögen haben, können sie etwas besser mit Hitzestress umgehen als Kühe. Untersuchungen aus dem Jahr 1989 an Toggenburgerziegen zeigten, dass die Tiere bis zu 3.5 l Wasser pro Tag via Hautoberfläche abgeben können. Das sind rund 5 % des gesamten Körpergewichts. Umso wichtiger ist also eine ausreichende Wasserversorgung mit genügend Tränkestellen. Ein weiteres starkes Indiz für Hitzestress ist die erhöhte Atemfrequenz. Im Normalzustand macht eine Ziege pro Minute 15 bis 30 Atemzüge. Sobald mehr als 40 Atemzüge gezählt werden, kann davon ausgegangen werden, dass es der Ziege zu heiss ist. Eine erhöhte Atemfrequenz hat auch negative Auswirkungen auf die Stoffwechsellage. Da mehr geatmet wird, stösst die Ziege mehr CO2 aus und verliert damit Puffersubstanzen, welche den pH-Wert des Blutes stabilisieren sollten. Werden diese ausgestossen, so sinkt der pH-Wert, was die Ziege in eine metabolische Azidose (Übersäuerung des Stoffwechsels) treibt. Das ist ein Grund, weshalb die Leistung um bis zu 10 % verringert wird. Als wichtigste Auswirkung von Hitzestress kann der geringere Verzehr genannt werden. Auch hier handelt es sich um eine Methode der Ziege, den Hitzestress zu verringern. Indem die Ziege weniger frisst, nimmt sie weniger Rohfasern auf. Durch die Fermentation mit Pansenmikroben sind die Rohfasern im Pansen die grösste Wärmequelle. Eine geringere Aufnahme an Rohfasern hat also zum Ziel, die Wärmeproduktion im Pansen zu senken, damit weniger Eigenwärme entsteht.

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Ziegen im Stall

Die Aufnahme von schwerverdaulicher Rohfaser sollte im Sommer minimiert und mit schmackhaften Futtern sichergestellt werden.

Mit Fütterungsmassnahmen Entlastung schaffen

Nimmt der Hitzestress zu, können in der Fütterung gezielt Massnahmen ergriffen werden, um die Tiere zu entlasten. Betrieben, die einen Grossteil des Sommers im Stall füttern, wird empfohlen, die Rohfaserversorgung der Ziegen zu kontrollieren. Die Ration soll einen möglichst geringen Anteil an schwerverdaulicher Faser (z.B. altes Heu, alte Grassilage, faserreiche Maissilage) aufweisen. Anstelle von Heu kann beispielsweise strukturiertes Emd verfüttert werden. Wie gut verdaulich die Fasern der Raufutter sind, lässt sich mittels einer Raufutteranalyse bestimmen. Die Fütterung mit weniger ADF (schwerverdauliche Rohfasern) und mehr NDF (leichtverdauliche Rohfasern) verringert die Wärmeproduktion im Pansen. Weiter kann der Einsatz von Lebendhefen Abhilfe schaffen, da diese die Faserverdauung unterstützen. Ein weiterer Vorteil der Lebendhefen ist, dass sie die Vermehrung von milchsäureabbauenden Mikroben fördern und so ein Absinken des pH-Wertes im Pansen verringern. Da sich die Ziegen bei Hitzestress in einer metabolischen Azidose befinden, hilft auch der Einsatz von Puffersubstanzen. Diese gleichen den Karbonatverlust durch die erhöhte Atemfrequenz aus. Weiter stabilisieren Puffersubstanzen den pH-Wert des Pansens, damit es aufgrund des verringerten Verzehrs nicht zu einer Pansenübersäuerung und somit zu Durchfall und einer Breinierenkrankheit kommt.

Bei Betrieben, die einen Grossteil des Futters auf der Weide anbieten, ist es wichtig, dass die Ziegen zu jeder Tageszeit gerne draussen fressen. Das ist entscheidend für eine konstante Futteraufnahme und verringert die erhöhte Gefahr von Pansenazidose, welche aus den genannten Gründen während der heissen Jahreszeit häufiger auftreten kann. Damit der Verzehr konstant bleibt, muss das Weidemanagement gut geplant sein, so dass frisches Futter so oft als möglich vorhanden ist. Auch die Zufütterung im Stall muss entsprechend den oben genannten Empfehlungen bezüglich Rohfaserversorgung angepasst werden.

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THI-Tabelle für Ziegen

grün = kein Hitzestress / gelb = milder hitzestress / orange = mässiger Hitzestress / rot = starker Hitzestress / dunkelrot = Gefahr

Stallklima und Aufstallung

Um den Hitzestress zu verringern, sollte auch das Stallklima nicht vernachlässigt werden. In Ställen mit einem geringen Luftvolumen muss dafür gesorgt werden, dass ein genügender Luftaustausch stattfindet. Dieser kann mit offenen Fenstern und Türen auf natürliche Weise entstehen oder mittels Ventilatoren unterstützt werden. Allerdings muss bei der Belüftung mit Ventilatoren darauf geachtet werden, dass sich Ziegen, im Gegensatz zu Kühen, bei zu starkem Luftzug rasch unwohl fühlen und diesen meiden. 

Besonders Ziegen, die ausschliesslich auf Tiefstroh gehalten werden, sind stärker von Hitzestress betroffen. Einerseits, weil im Mist durch die Fermentation zusätzliche Wärme entsteht und andererseits, weil Stroh isolierend wirkt und so weniger Wärme vom Tierkörper ableiten kann. Idealerweise haben Ziegen in der heissen Jahreszeit die Möglichkeit, um auf trockenen, nicht eingestreuten Liegeflächen (z.B. erhöhte Tablare) zu liegen. Erfahrungen aus der Praxis zeigen, dass bei diesem kombinierten Haltungssystem die Ziegen im Sommer die eingestreute Tiefstrohliegefläche meiden und lieber auf nicht eingestreuten Bereichen liegen, damit sie mehr Körperwärme abgeben können.

10.07.2025
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