Futteraufnahme und selektives Fressen

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Die Milchziege ist bezüglich der Fütterung wohl eines der anspruchsvollsten Nutztiere. Einerseits haben Ziegen die Fähigkeit, das Futter zu selektieren, andererseits sind ihre Verdauungsorgane und deren Funktionen nicht eins zu eins vergleichbar mit denen der Rinder. Dies sind nur zwei Gründe, warum die Fütterung von Milchziegen nicht derjenigen von Rindern entspricht und deshalb noch besser auf die Bedürfnisse und Fähigkeiten der Ziegen abzustimmen ist.

Das natürliche Fressverhalten

Egal ob Wildtier oder Nutztier – die Wiederkäuer weisen unterschiedliche Fressverhalten auf. Dabei kann zwischen drei Typen unterschieden werden.

Konzentratselektierer

Zu dieser Gruppe gehören zum Beispiel der Elch oder das Reh. Sie fressen vorzugsweise nährstoffreiche und leicht verdauliche Pflanzenteile wie Blätter und Laub und meiden Futter mit einem zu hohen Fasergehalt. Ihr Pansen ist verhältnismässig klein und weist die schnellste Passagerate der drei Typen auf. Die Fresszeiten verteilen sich über den ganzen Tag (24 h), sodass immer nur eine kleine Menge an Futter aufgenommen wird.

Raufutterverzehrer 

Dieser Gruppe gehören unter anderem Rinder und Schafe an. Ihre Nahrung besteht natürlicherweise aus Gräsern mit einem vergleichsweise hohen Rohfaser- und niedrigen Nährstoffgehalt. Da Raufutterverzehrer eine grössere Menge an Futter aufnehmen müssen, um ihren Bedarf zu decken, weisen sie im Vergleich zu anderen Wiederkäuern einen grösseren Pansen auf. Aus diesem Grund ist deren Passagerate im Pansen langsamer. Raufutterverzehrer haben weniger Fresszeiten und nehmen dafür grössere Futtermengen auf einmal auf.

Zwischen-Typ 

Wie es der Name schon sagt, ist das Verdauungssystem von diesem Typ Wiederkäuer eine Mischung von den oben beschriebenen Typen. Zu dieser Gruppe gehört die Ziege sowie der Steinbock oder die Gämse. Die Zwischen-Typen passen ihr Fressverhalten je nach Futterangebot dem einen oder anderen oben beschriebenen Typ an. Grundsätzlich meiden auch sie faserreiches Futter und die Fresszeiten bewegen sich ebenfalls zwischen den zwei obigen Typen. Zu wissen, welcher Wiederkäuertyp die Ziege ist, ist ein erster Schritt, um zu verstehen, welche Bedürfnisse Ziegen an die Fütterung haben.

 

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Abbildung: Wiederkäuer-Ernährungstypen

Die Ziege gehört zu den Zwischen-Typen und hat natürlicherweise mehr Fresszeiten als die Rauffutterverzehrer. (Quelle/Source: Münnich 2009 nach R. R. Hofmann 1989. «Evolutionary Steps of Ecophysiological Adaptation and Diversification of Ruminants: A Comparative View of Their Digestive System.»)

Selektives Fressverhalten

Da die Ziege ein Zwischen-Typ ist, ist sie in der Lage, das Futter zu selektieren, um nährstoffreiche und leichtverdauliche Pflanzenteile auszuwählen und die rohfaserreichen Bestandteile zu verwerfen. Die Futterselektion ist durch die gespaltene Oberlippe möglich, mit der sich die Ziegen durch das Futter «wühlen» können. Die Auswirkungen dieses natürlichen Verhaltens bei der Fütterung von Milchziegen sind nicht zu unterschätzen. Es bedeutet, dass die Gehalte der vorgelegten Ration nicht mit den Gehalten der aufgenommenen Ration übereinstimmen, wenn Krippenreste in Kauf genommen werden. Eine Untersuchung in Deutschland am Institut für Ökologischen Landbau, Westerau, hat die Selektionsfähigkeit von Ziegen untersucht. Dabei konnte bewiesen werden, dass Ziegen in der Lage sind, den Energiewert von Heu um zehn Prozent und das im Dünndarm verwertbare Protein um zwölf Prozent zu verbessern. Ähnliche Resultate in der gleichen Untersuchung wurden auch bei der Weidefütterung festgestellt. In einer Bachelorarbeit der Hochschule für Agrar-Forst und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen (Salzmann, 2017) wurde dies bei einem Fütterungsversuch ebenfalls untersucht. Dabei wurde das vorgelegte Heu und die Luzerne sowie die angefallenen Krippenreste der beiden Futter untersucht.

Wie der Tabelle 1 zu entnehmen ist, konnten die Ziegen das Heu um 0.2 MJ NEL verbessern. Der Anteil an Krippenresten ist mit 50 Prozent sehr hoch. Dies ist begründet durch die verminderte Qualität des Heues aus dem Erntejahr 2016. Bei der Luzerne wurde der Rohproteingehalt um 20 g/kg verbessert. Die Ziegen sind also in der Lage, das Grundfutter durch die selektive Futteraufnahme zu verbessern, aber immer nur dann, wenn Krippenreste in Kauf genommen werden. Bei einer Berechnung der Ration sollte dies stets miteinbezogen werden.

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Tabelle

(Quelle: Salzmann 2017)

Was sich bei einer intensiveren Fütterung negativ auswirken kann, ist die Selektionsfähigkeit von rohfaserreichen Pflanzenbestandteilen. Eine genügende Rohfaserversorgung sichert ein stabiles Pansenmillieu und bremst die Passagerate, damit nicht zu viele Nährstoffe in den Darm gelangen und so die Gefahr der Enterotoxämie (Breinierenkrankheit) vermindert wird. In einem Versuch, vorgestellt durch G. Bellof (2011), wurde die vorgelegte Ration sowie die Krippenreste bei einer Gruppe erstlaktierenden (n=45) und einer Gruppe mehrlaktierenden Ziegen (n=65) untersucht. Dabei fiel auf, dass der Rohfasergehalt (in Prozent der TS) der Krippenreste bei beiden Gruppen deutlich höher war (20-25%) als derjenige der vorgelegten Ration (16%). Das bedeutet, dass die Ziegen die rohfaserreichen Bestandteile der Ration verworfen haben. Deshalb ist bei der Rationsgestaltung die Rohfaserversorgung durch schmackhafte Komponenten wie qualitativ sehr hochwertiges Heu, strukturiertes Emd oder Luzerne sicherzustellen. Qualitativ hochwertiges Dürrfutter kann auch ad libitum angeboten werden, da die Ziege je nach Bedarf und in Abhängigkeit der Ration ihr Fressverhalten anpasst und dann Dürrfutter aufnimmt, wenn sie Bedarf hat.

Die Besonderheiten der Verdauung

Das natürliche Fressverhalten der Ziegen ist auch an deren Verdauung angepasst. So ist beispielsweise der Pansen verhältnismässig etwas kleiner als beim Rind. Auch das Wiederkäuen ist von kürzerer Dauer und dient in erster Linie dem Entsaften und weniger dem Zermahlen. Für die mechanische Zerkleinerung des Futters hat die Ziege im Verhältnis einen grösseren Netzmagen. Zudem hat sie eine grössere Speicheldrüse, welche mehr Speichel produziert, den längsten Darm aller Nutztiere im Verhältnis zum Körpergewicht und einen relativ grossen Labmagen. Diese Punkte lassen der enzymatischen Verdauung eine viel grössere Bedeutung zukommen, als es beim Rind der Fall ist. Die Ziege hat die Verdauungsleistung perfektioniert, indem sie die mikrobielle Verdauung in den Vormägen sowie die enzymatische Verdauung im Darm vollständig ausnutzt. Dies könnte möglicherweise auch ein Grund sein, warum Ziegen für die Produktion eines Kilogramms Milch (bei einem Fettgehalt von 3.5%) nur 2.73 MJ NEL benötigen, wogegen Kühe 3.14 MJ NEL für ein Kilogramm Milch benötigen.

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Ziege

Mit der gespaltenen Oberlippe, kann die Ziege das Futter selektieren.

Fütterung in der Praxis

Mit dem natürlichem Fressverhalten der Ziegen, der selektiven Futteraufnahme und der spezifischen Verdauung stellt die Ziege eigene Ansprüche an die Fütterung. So ist zu beachten, dass Ziegen mehrere Fresszeiten während des ganzen Tages benötigen. Für die Fütterung bedeutet das, dass die Futtervorlage mit frischem Futter mehrmals am Tag erfolgen sollte, um einen möglichst hohen Verzehr zu erhalten und damit die Leistung zu steigern und die Gesundheit zu fördern. Damit eine optimale Leistung erreicht werden kann, müssen je nach Situation und Futterqualität die Anteile gemäss Tabelle 2 an Krippenresten akzeptiert werden. Die selektive Futteraufnahme ist eine Herausforderung, vor allem bei der Gehaltsberechnung von Rationen. Klar ist, je mehr Krippenreste akzeptiert werden, desto ungenauer ist die Berechnung. Wer keine Krippenreste bei den Ziegen eingehen will, muss jedoch Leistungseinbussen in Kauf nehmen. Die Selektionsfähigkeit der Ziegen kann auch als Chance angesehen werden, da Ziegen die Ration dadurch verbessern können.

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Tabelle

(Quelle: Grünes Buch, Kapitel 12 Fütterungsempfehlungen für die Ziege, eigene Darstellung)

09.04.2024
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