Warum Salz für Rinder mehr ist als nur ein Stein

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Ohne Natrium läuft im Stoffwechsel nichts rund – erst recht nicht bei Hitze. Fütterungsexperte Jonas Salzmann erläutert, wie Tierhalter Salzmangel erkennen und vorbeugen können – besonders bei Hitzestress.

Ein Artikel der BauernZeitung

Ob auf der Weide oder im Stall: Der Salzbedarf von Rindern wird oft unterschätzt. Im Interview erklärt Jonas Salzmann von der UFA AG, warum Salz weit mehr ist als ein Mineralstoff, woran man Mängel erkennt – und warum Lecksteine nicht immer ausreichen.

Welche Funktionen erfüllt Salz im Stoffwechsel von Rindern?

Jonas Salzmann: Salz, also Natrium und Chlorid, spielt eine zentrale Rolle bei der Regulierung der Körperflüssigkeiten. Besonders Natrium ist entscheidend für das osmotische Potenzial der Zellen und somit dafür verantwortlich, wie Wasser im Körper verteilt wird. Mit Körperflüssigkeiten sind vor allem der Wasser- und Ionenhaushalt gemeint, bei dem auch Kalium eine wichtige Rolle spielt. Wiederkäuer verfügen über einen guten Selbstregulierungsmechanismus für Natrium und nehmen Salz nach Bedarf auf. Besonders deutlich wird dies auf Betrieben mit täglichem Weidegang. Abhängig von der Feuchtigkeit und dem Gehalt des Grases sowie den Witterungsbedingungen variiert die Salzaufnahme der Kühe.

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Jonas Salzmann

 

 

 

Jonas Salzmann:

Bereichsleiter Marketing der UFA AG

Wie äussert sich ein Salz- oder Natriummangel beim Rind? Gibt es typische Symptome?

Ein Mangel an Natrium im Stoffwechsel führt zu einem Wasserdefizit, da das Durstgefühl ausbleibt und vermehrt Wasser ausgeschieden wird. Dies zeigt sich etwa daran, dass die Hautfalte nicht sofort in ihre ursprüngliche Form zurückkehrt, was auf eine Austrocknung hinweist. Die Tiere beginnen an Menschen oder Stalleinrichtungen zu lecken – ein Verhalten, das als Lecksucht bezeichnet wird. Auch Harnsaufen kann beobachtet werden. Infolge eines Mangels kann es zudem zu Aborten und zu einem reduzierten Futterverzehr kommen.

Haben Rinder im Sommer tatsächlich einen höheren Salzbedarf? Wenn ja, woran liegt das konkret?

Ja, im Sommer ist der Salzbedarf deutlich höher, was in der Fütterung unbedingt berücksichtigt werden sollte. Bei hohen Temperaturen versuchen die Tiere, sich durch Schwitzen abzukühlen. Das verdunstende Wasser an der Körperoberfläche hat eine kühlende Wirkung, führt jedoch auch zum Verlust von Ionen, insbesondere von Natrium. Da die Wasseraufnahme bei Hitzestress von zentraler Bedeutung ist, muss dieser Verlust ausgeglichen werden. Andernfalls trinken die Tiere zu wenig, da das Durstgefühl bei Natriummangel nicht einsetzt, was die beschriebenen Folgeerscheinungen nach sich zieht.

Wie sollte die Salzversorgung bei Hitzestress oder während der Weidehaltung angepasst werden?

Bei Hitzestress muss die Natriumversorgung genau beobachtet und gegebenenfalls erhöht werden. In Mischrationen können Produkte mit Natriumbicarbonat zur Pufferung eingesetzt werden. Auch auf der Weide sollte die Salzversorgung sichergestellt werden. Wer auf Nummer sicher gehen möchte, bietet loses Viehsalz zusätzlich an, um eine bedarfsgerechte Aufnahme zu ermöglichen.

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Warum Salz für Rinder mehr ist als nur ein Stein

Im Sommer gut besucht: Kühe können ihren Nährstoffbedarf mit Salzlecksteinen allerdings allein oft nicht decken, da die Aufnahme durch Lecken begrenzt ist.

Welche Vor- und Nachteile bestehen bei den verschiedenen Varianten der Salzversorgung?

Salzlecksteine ermöglichen grundsätzlich eine zusätzliche Salzaufnahme und lassen sich einfach handhaben, auch im Aussenbereich. Sie erlauben eine tierindividuelle Versorgung, doch die Aufnahme des einzelnen Tieres lässt sich nur schwer kontrollieren. Besonders bei kleinen Wiederkäuern kann die Salzaufnahme zu gering sein, da ihnen das Lecken schnell verleidet und sie zu lange dafür bräuchten. Bei der Gabe von losem Salz im Trog profitieren die Tiere von einer individuellen und flexiblen Versorgung. Die Anwendung ist einfach, die Tiere können ihren Bedarf rasch decken, was besonders für kleine Wiederkäuer vorteilhaft ist. Allerdings benötigt loses Salz Witterungsschutz, und auch hier ist die Kontrolle der Einzelaufnahme schwierig. Wird das Salz über den Mischwagen verabreicht, erfolgt die Aufnahme kontinuierlich und berechenbar. Die Dosierung kann auf die jeweilige Tierkategorie abgestimmt werden. Allerdings muss dies berücksichtigt werden, wenn die Ration weiterverwendet oder für andere Gruppen wie Rinder oder Galtkühe verdünnt wird.

Für welche Tiergruppen empfehlen Sie eine ad libitum-Versorgung mit Lecksteinen – und wo sehen Sie die Gefahr einer Überversorgung?

Salzlecksteine eignen sich gut für Rinder ab etwa vier Monaten auf der Weide oder im Laufhof sowie für Mutterkühe. Wichtig ist dabei, die Aufnahme regelmässig zu kontrollieren, etwa durch das Wiegen des Steins, um sicherzustellen, dass die Herde ausreichend versorgt ist. Im Sommer sollte aufgrund des erhöhten Bedarfs zusätzlich loses Viehsalz angeboten werden. Bei Schafen und Ziegen sollte die Salzversorgung nicht ausschliesslich über Salzlecksteine erfolgen, da diese Tierarten oft nicht lange genug lecken, um ihren Bedarf zu decken. Für Milchkühe reichen Salzlecksteine in der Regel nicht aus und dienen höchstens als individuelle Ergänzung.

Viele Salzlecksteine enthalten Bindemittel wie Calciumverbindungen (z. B. Calciumsulfat). Kann das problematisch sein – etwa bei Galtkühen?

Die Zusammensetzung der Produkte muss sorgfältig beachtet werden. Für Galtkühe sollten spezielle Leckschalen verwendet werden, die auf ihren Bedarf abgestimmt sind. Es gibt auch Mineralleckschalen, die den Natriumbedarf bereits gezielt abdecken.

Wie wichtig ist die Unterscheidung zwischen reinem Viehsalz, Minerallecksteinen und Multikomponentensteinen?

Diese Unterscheidung ist sehr wichtig. Salzlecksteine dienen in erster Linie der Natriumversorgung. Minerallecksteine enthalten zusätzlich weitere Mineralien und können so den gesamten Mineralstoffbedarf decken. Entscheidend ist, dass die Zusammensetzung der Steine auf das verfütterte Grundfutter abgestimmt ist.

Ab welchem Alter sollten Kälber Zugang zu Salz haben? Sollte dieser kontrolliert oder frei erfolgen?

Ich empfehle, Kälber bis und mit dem zweiten Lebensmonat über die Tränke mit Mineralstoffen zu versorgen. Kuhmilch allein reicht für den Bedarf eines intensiv gefütterten Kalbes nicht aus. Für junge Tiere eignen sich spezielle Minerallecksteine, die ausreichend Calcium für das Wachstum enthalten und gleichzeitig die Versorgung mit Phosphor, Magnesium und Natrium sicherstellen.

Besteht in Mutterkuhherden für Kälber eine Gefahr der Austrocknung oder Salzvergiftung bei freiem Zugang zu Salzlecksteinen?

Da der Selbstregulierungsmechanismus bei Rindern gut funktioniert, ist das Risiko einer Überversorgung bei Kälbern eher gering. Ein Salzleckstein zur freien Verfügung ist deshalb sinnvoll, um den Bedarf zusätzlich zu decken.

Gibt es Empfehlungen zur Anzahl der Leckstellen pro Tierzahl?

Üblicherweise wird die Anzahl der Leckstellen nach Grossvieheinheiten (GVE) bemessen. In der Regel empfehlen wir, pro fünf GVE einen Leckstein mit einem Gewicht von zehn Kilogramm bereitzustellen.

Wie beeinflussen Leistung, Ration und Wasseraufnahme den tatsächlichen Salzbedarf?

Je höher die Leistung eines Tieres, insbesondere bei der Milchproduktion, desto höher ist die Ausscheidung von Mineralien und entsprechend auch der Bedarf an Zufuhr. Eine Kuh benötigt zur Erhaltung etwa 8 bis 10 Gramm Natrium pro Tag. Bei einer Milchleistung von 25 Kilogramm kommen rund 23 Gramm hinzu, bei 45 Kilogramm etwa 38 Gramm. Auch der Verlust durch Schwitzen spielt eine Rolle, weshalb der Natriumverlust stets durch die Fütterung ausgeglichen werden muss.

Gibt es in der Praxis häufiger Probleme mit Unter- oder Überversorgung – und in welchen Betriebstypen?

Besonders bei Weidehaltung ist eine Unterversorgung häufiger ein Problem. Aus diesem Grund bieten wir All-in-One-Mineralstoffprodukte an, die sowohl die allgemeine Mineralstoffversorgung als auch die Salzversorgung abdecken. Diese Produkte sind besonders für Alpbetriebe geeignet, die nicht zusätzliches Viehsalz und Mineralstoffe transportieren möchten. Auch im Bereich der Mischrationen steigt die Nachfrage nach solchen Produkten, da sie einfach zu handhaben sind.

Welche Fehler beobachten Sie in der Praxis am häufigsten im Umgang mit Salz?

Ein häufiger Fehler besteht darin, dass ausschliesslich Salzlecksteine eingesetzt werden. Die Tiere können ihren tatsächlichen Bedarf damit oft nicht vollständig decken, da die Aufnahme über das Lecken begrenzt ist.

Welche Qualitätsunterschiede gibt es bei Salzprodukten für Rinder?

Die Qualitätsunterschiede bei Salzprodukten sind in der Regel gering. Unterschiede bestehen meist in der Zusammensetzung der weiteren enthaltenen Mineralstoffe. Aufgrund des Salzmonopols in der Schweiz ist die Herkunft des Salzes selbst weniger relevant.

Wie kann ein Landwirt kontrollieren, ob die Tiere ausreichend, aber nicht übermässig Salz aufnehmen?

Bei Lecksteinen oder der freien Gabe von losem Viehsalz erfolgt die Kontrolle über das regelmässige Wiegen der Leckschalen und die Berechnung des durchschnittlichen Verbrauchs. Bei fixen Gaben über die TMR ist die Kontrolle über die Dosierung bereits gegeben. Wichtig ist hier eine gleichmässige Durchmischung, damit das Salz gleichmässig in der Ration verteilt ist.

Gibt es sinnvolle Laborparameter oder Harnanalysen zur Bewertung der Salzversorgung?

Blutanalysen können Hinweise auf einen Mangel geben, liefern jedoch keine Aussage über die Ursache. Deshalb empfehle ich, zunächst die Futtermittel zu analysieren und die Salzaufnahme zu überprüfen. Über die Messung des Harn-pH kann die Stoffwechsellage der Tiere beurteilt werden, insbesondere zur Kontrolle der Kationen- und Anionenbilanz in der Galtphase. Bei einer Unterversorgung mit Natrium neigt der pH-Wert eher in den alkalischen Bereich.

15.08.2025